Das langsame Sterben der kleinen Fitnessstudios

Bereits seit Jahren zeichnet sich ein Konzentrationsprozess der Fitnessketten ab. Während die Großen der Branche (McFit, EasyFitness, CleverFit und wie sie alle heißen) sich in der Vergangenheit Städte mit mindestens 250.000 Einwohnern suchten, findet man nunmehr diese Studios in kleineren Städten mit 50 – 80.000 Einwohnern. Das Ganze gleicht einem Monopoly-Spiel: anfangs besetzte man die Park-Allee, nun gibt man sich mit dem West-Bahnhof zufrieden.

Durch ein äußerst aggressives Preisverhalten seitens der Ketten entsteht ein Verdrängungswettbewerb, den einzeln aufgestellte Studiobetreiber nur verlieren können. Alteingesessen, teilweise etwas starr bei den Neuerungen, werden sie überrannt von den Werbe-Attacken der Ketten. Ehe man sich versieht, kündigen die Mitglieder und wechseln zum Neuanbieter. Wenn es erst mal soweit ist, ist es oftmals zu spät zu reagieren. Man fällt unter die DB-Grenze und gibt frustriert auf. Was vor der Pandemie ein sehr langsames Sterben der Einzelbetreiber war, nimmt nun richtig Fahrt auf. Mitglieder haben während der coronabedingten Schließung gekündigt, die Studios sind sowieso schon angezählt und durch die Angriffe erfolgt der letzte Dolchstoß. Hinzu kommt, dass das Mitglied nicht wirklich einfühlsamer durch die Pandemie geworden ist – das Gegenteil ist häufig der Fall: egoistisch werden Forderungen aufgestellt („jetzt brauchst Du ja neue Mitglieder, dann mach mir mal ein vernünftiges Angebot“), die man gerade jetzt nicht gebrauchen kann.

Wie sieht die Prognose für die kommenden 5 – 10 Jahre aus? Ehrliche Meinung? Ziemlich düster:

  • Weitere Konzentration der Ketten: die großen Ketten sind aus dem Tiefschlaf erwacht und eröffnen ohne Rücksicht auf Verluste (im wahrsten Sinne des Wortes) überall, wo ihnen geeignete Hallen angeboten werden
  • Kleinere Städte werden massiv angegangen. VIVA Fitness sucht sich schon Städte mit mindestens 10.000 Einwohnern und das personallose Konzept Fit+ geht auf die Dörfer los: 3 – 5.000 Einwohner reichen, um hier zu eröffnen
  • Private Equities haben bereits vor einigen Jahren die Fitnessbranche für sich entdeckt und kaufen alles auf, was sich für die Zukunft lohnt. Besonders während und nach der Pandemie scheint sich das Geschäft zu lohnen: der EBITDA ist massivst gesunken, entsprechend günstig sind die Studios zu haben. Genannt an dieser Stelle z. B. die Beteiligungsgesellschaft Nordholding, die unter dem Namen Bestfit-Group die Ketten Jumpers, AI-Fitness und Euro-Fitness vereint (die letzten beiden Ketten sind während der Pandemie hinzugekauft worden). Auch Waterland als Investment-Gesellschaft ist hier aktiv: die jüngste Beteiligung ist Fit/One.
  • Kleinere Studios und Einzelbetreiber werden überrannt. Veraltete Konzepte, Geräte, Einrichtungen sowie überholtes Ambiente tragen dafür Sorge, dass Mitglieder zu neuen Studios (die hip sind) wechseln.

Was kann der Fitnessstudio-Betreiber, der nur ein oder zwei Anlagen hat, hier vorgehen, um zu überleben?

Zunächst einmal eine kleine Analyse: in meinen vielen Gesprächen, die ich in den letzten Monaten mit Einzelbetreibern geführt habe, kam folgende Aussage oft zum Vorschein:

„Meine Mitglieder sind treu, wir sind sehr persönlich, sie hängen an unserem Studiokonzept und sie werden nicht wechseln, wenn ein Wettbewerb auftaucht„.

Problematisch ist es, dem Studiobetreiber klarzumachen, dass diese Aussage exakt DEN Mitgliedern gilt, zu dem er persönlichen Kontakt hat: 20 Rentner, die 3 x pro Woche morgens trainieren und anschließend ihren Kaffee trinken und 30 – 50 Kursteilnehmer*innen, die regelmäßig an Kursen teilnehmen. Das sind auch exakt die Mitglieder, die an jedem Sommerfest und an jeder Weihnachtsfeier teilnehmen. Zu den anderen 500, 800 oder 1.000 Mitgliedern, von dem der Betreiber finanziell abhängig ist, hat er keine Aussage ob sie bleiben, wenn ein (günstiger) Wettbewerber auftaucht. Aber eben genau DAS muß jedem Studio-Betreiber klar sein: er hat einen verfälschten Eindruck seiner Lage von maximal 10% seiner Mitglieder – und das kann über kurz oder lang sehr gefährlich werden!

Eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio ist heute mehr denn je mit einem gewissen Lifestyle verbunden (bitte nicht mit Wellness verwechseln): vorbei die Zeit der nackten Wände, Neonleuchten und Buche-Laminatböden. Ambiente ist angesagt: abgestimmte Wandfarben, große, passende Leuchten, angenehme Bilder in Verbindung mit Digitalisierung, neuesten Geräten etc. Häufig ohne Kurse (VIVA Fitness, Fit+), wenn aber doch Kurse, dann in riesigen Kursräumen mit abgestimmten Licht- und Soundkonzept, um das Flair der Großstadt in Eurem Ort abzubilden. Wer einmal bei John Reed Fitness trainiert hat, weiß, was ich meine.

„Mein Studio ist top in Schuss, die Geräte sind noch alle gut und erst während der coronabedingten Schließung habe ich die Wände neu gestrichen“.

Ohne jemanden auf die Füße zu treten (ich möchte hier wirklich niemanden beleidigen!), aber wenn man ein 20 Jahre altes Auto „nur“ neu lackiert, bleibt es ein 20 Jahre altes Auto, wo in Kürze der Rost wieder durchkommt: Sitze durchgesessen, veraltete Technik, abgegriffene Armaturen und die Reifen sind auch abgefahren. Ein extremes Bild, das bei dem ein oder anderen mehr oder weniger zutrifft (hoffentlich auch gar nicht!). Was ich damit sagen will, ist der Umstand, dass das Selbstbild häufig nicht mit dem Fremdbild übereinstimmt. Man neigt dazu, das Eigene (vor allem, wenn das Herzblut daran hängt) positiver zu bewerten, als es wirklich ist oder andere sehen. Entsprechend entsteht die Gefahr, den Anschluß zu verpassen und abgehängt zu werden.

Was genau kann der Studiobetreiber in seiner Stadt nun tun? Nachfolgend einige Tipps – ein Experte kann hier mit Dir in die genaue Analyse gehen:

  • Analysiere Dein Umfeld: wieviel Einwohner hat die Stadt, in der Dein Studio ist? Wie ist die Wettbewerbssituation, was „könnte“ an Wettbewerb auf Dich zukommen?
  • Was sind die Key-Facts Deines Studios? Was ist besser als beim Wettbewerb, was (objektiv) schlechter?
  • An welchen Punkten kannst Du Dich (sinnvoll) den aktuellen Trends anpassen. Wie kannst Du für die Zukunft besser aufgestellt sein (Digitalisierung, Kurs- und Flächenkonzepte, Automatisierung, Betreuung, Öffnungszeiten etc.). Es macht hier keinen Sinn, mit Kanonenkugeln auf Spatzen zu schiessen, daher hinterfrage die Sinnhaftigkeit
  • Hast Du Möglichkeiten zur Mitgliedergewinnung, wenn ja, wie? Kannst Du Verträge verlängern, aktualisieren und siehst Du andere Punkte zur Mitgliederbindung?
  • Hast Du ein Budget für Maßnahmen?

Es empfiehlt sich, im Rahmen des (Wieder-)Aufbaus bzw. der nachhaltigen Aufstellung des Studios und der entsprechenden Wettbewerbsfähigkeit, einen strategischen Berater zur Seite zu haben, der Dich begleitet. Es sollte jemand sein, der sein Handwerk versteht (aus der Branche kommt) und Dich objektiv berät. Bitte verzichte auf „Experten“-Rat aus dem Bekanntenkreis („ich bin gelernter Maler und mache Deine Wände schön“). Im ersten Step geht es auch nicht um die „kleinen“ Punkte wie Wandgestaltung oder Digitalisierungskonzept. Zunächst muss der gegenwärtige Stand gemeinsam mit Dir analysiert werden: WO stehst Du heute und WOHIN willst Du? Da sind bunte Wände zunächst zweitrangig.

Viel Erfolg für die Zukunft!

Dr. Thomas Kruse
Fitnessökonom und -wissenschaftler

2 Replies to “Das langsame Sterben der kleinen Fitnessstudios”

    1. Vielen Dank für den Auftrag. Ich hoffe, das meine Unterstützung dazu beitragen konnte, das Sie Ihren Mitgliedern nunmehr 24/7 Betrieb anbieten können.

      Ihr
      Thomas Kruse

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